Wie ist es, in einer bolivianischen Marschkapelle zu spielen?
Die Geschichte, wie es dazu kam, dass ich in Bolivien in einer Marschkapelle spiele, hängt viel mit glücklichen Zufällen zusammen. Viele die mich kennen, werden sich jetzt denken, dass ich einfach Trommel spiele, wie auch schon in Österreich. Doch dem ist nicht so! Welches Instrument ich spiele und wie es dazu kam, erfährst du in diesem Blogartikel. Du kannst ja schon einmal raten, welches es ist.
Gitarre als Marschinstrument?
Der Anfang meiner Geschichte war eigentlich schon lange vor meiner Reise nach Bolivien und zwar im Jahr 2020, kurz vor dem ersten Lockdown in Österreich. Da habe ich mir Gedanken gemacht, ob ich ein neues Instrument lernen will und welches. Ich habe mich damals für Gitarre entschieden, weil sie im Vergleich zum Schlagzeug praktischer ist. Zu lernenbegonnen habe ich dann mit Opas alter Gitarre.
Recht lange hat meine Euphorie aber nicht angehalten. Nach dem Lockdown habe ich wieder aufgehört zu üben. In Bolivien hat mich dann die Motivation erneut gepackt, weil viele hier Gitarre spielen. Also habe ich mir mit Benni gemeinsam eine Gitarre gekauft. Jetzt wirst du vielleicht denken, dass eine Gitarre nicht teil einer Marschkapelle ist. Stimmt! Es war nur der Grund, warum es dazu kam.
„Warum eigentlich nicht?“, habe ich mir gedacht und wir haben am Tag darauf unsere erste Stunde abgehalten. In der ersten Woche habe ich dann auch die erste Oktave spielen können. Auch wenn der Klang natürlich alles andere als schön war. Also ein gerader Ton war das noch lange nicht. Leon hat dann auch begonnen zu üben. Und es war im Bezug auf den Klang war bei mir ein Fortschritt erkennbar.
Aber auch hier hatte ich wieder Probleme mit meiner Kontinuität. Wir konnten die Trompete aufgrund der Proben in der Schule nicht mehr mit nach Hause nehmen und so spielte ich immer weniger. Der Fokus rückte wieder zur Gitarre und ich spielte gar nicht mehr Trompete. Wir konnten das Instrument zwar dann wieder mitnehmen, aber auch da schwand die Motivation, sodass wir vor den Ferien nichts mehr übten.
Es kommt meistens anders, als man denkt
Wahrscheinlich wäre es auch dabei geblieben, dass wir nicht mehr gespielt hätten. Doch dann haben wir vor Beginn des Semesters die Inventur in der Schule gemacht. Dabei kamen wir auch in den Raum, wo die Musikinstrumente gelagert werden. Diese sind Trommeln, Trompeten und Baritons.
Leon hat gemeint, wir könnten doch eine Trompete und ein Bariton zum Ausprobieren und Spielen mitnehmen. Also haben wir Daniela (mehr zu ihr in diesem Artikel) gefragt, ob wir diese ausborgen können. An dieser Stelle muss ich ein großes Dankeschön an Leon aussprechen, er hat mich vor allem in Bezug auf Musik immer motiviert etwas Neues zu lernen. Danke!
Also habe ich mir überlegt, welche Musikstücke ich üben könnte, damit ich nicht dauernd nur Töne spiele. Schnell war klar, ich will „Von Freund zu Freund“ üben, weil das mit dem Bariton von Leon zusammenpasst (auch wenn im Original die Instrumente ein wenig anders sind). Wir haben also ausgemacht, beide den Anfang des Stückes zu lernen.
Zwischenzeitlich habe ich auch probiert das Bariton zu spielen und gemerkt, dass mir das viel leichter fällt als die Trompete. Ich begann beides gleichzeitig zu spielen und langsam kristallisierte sich heraus, dass mir Bariton viel mehr Spaß macht. Nach kurzer Zeit konnte ich das Intro auf dem Bariton spielen.
Offizielles Bandmitglied
Wie auch alles andere war der Beitritt zur Schulband relativ zufällig. Das Schuljahr hat begonnen und natürlich brauchte der Musiklehrer irgendwann wieder alle Instrumente, damit die Schülerinnen und Schüler spielen können. Ich fragte ihn also, wann wir die Trompete und das Bariton zurückbringen sollten.
Zu meiner Überraschung antwortete er aber, ob ich es nicht behalten wolle und selbst spielen würde. Zuerst war ich mit der Frage überfordert, aber er versuchte mich zu überzeugen. Also sagte ich schließlich zu, Bariton zu spielen, weil ich da immerhin mehr als eine Oktave schöne Töne spielen konnte.
So ging die Probenphase für dieses Jahr los. Am Anfang konnte ich mit der Lerngeschwindigkeit der anderen nicht mithalten, weil sich das direkte Spielen von den Noten als schwierig erwies. Ich hatte davor nie wirklich ein Melodieinstrument gespielt und die Geschwindigkeit beim Notenlesen fehlte einfach. Dafür habe ich das durch mehr Übungszeit zuhause aufgeholt.
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| Die täglichen Registerproben |
Nach zwei Wochen war dann auch der erste Auftritt gekommen. Wir spielten „Chovena“, eine typisch bolivianische Tanzmusik, um den Karneval zu umrahmen. Es war alles sehr bolivianisch. Kurzerhand wurden die Stücke gewechselt und die Soloparts verändert. Da ich die anderen kaum kannte, war die Aufführung von meiner Seite eher ernüchternd. Gott sei Dank haben wir nur in der Schule gespielt.
Die beste Show der Stadt
Das Ereignis, worauf wir alle gewartet hatten, kam näher. Der Marsch am Hauptplatz am Tag des Meeres. Alle Schulen der ganzen Stadt spielten und marschierten. Eines der wichtigsten Ereignisse für alle Schülerinnen und Schüler, vor allem aber die Band.
Dabei ist der Tag an sich für uns Europäerinnen und Europäer etwas sehr Unterhaltsames. Es geht nämlich darum, dass Bolivien im Krieg gegen Chile seinen Zugang zum Pazifik verloren hat. Ganz darüber hinweg sind sie jedoch noch nicht und deshalb feiern sie jedes Jahr einmal den Tag „ihres“ Meereszugangs. Man kann das ganze ein wenig mit dem Österreich-Südtirol Verhältnis vergleichen, nur viel extremer.
Die Vorbereitung darauf startet schon lange davor. Edle Uniformen und perfekt einstudierte Vorführungen mit den Trommelschlägen sind längst Standard. Unsere Idee war, aus der Masse herauszustechen und etwas Neues zu machen. Also entschieden wir uns dazu, unsere Schulhymne zu spielen und zu singen. Dazu hatten wir Rauch in den Farben der Schule, durch den wir durchmarschierten.
| Der Einzug mit Rauch |
Die Vorbereitung war intensiv. Mir kam aber zugute, dass es einen festgelegten Ablauf gab und ich meine Parts genau daraufhin üben konnte. So wusste ich genau, welche Märsche zum Einzug gespielt werden und wie oft ungefähr, um auch mein Durchhaltevermögen am Instrument trainieren zu können. Dazu musste alles auswendig gespielt werden und während des Marschierens funktionieren.
Die Uniform wurde davor von unseren Schülerinnen und Schülern in der hauseigenen Schneiderei hergestellt. Diese besteht aus Hose, Jacke und Kappe, die für mich maßgeschneidert wurden. Handschuhe und Schuhe musste ich selbst organisieren. Das Instrument wurde mit Stoff veredelt. Alles auf höchstem Niveau.
| Ich mit Uniform und Instrument |
Es war also alles bereit. Mit ein wenig Nervosität ging es zur Aufstellung der unterschiedlichen Schulen. Wir waren Nummer 3. Der Musiklehrer schreit uns noch einmal zu: „Volle Power“ und dann folgt auch schon „Im Schritt, Marsch“. Wir marschieren los, rechts und links von uns alles voller Menschen. Ich versuche das auszublenden, damit ich mich auf unsere Choreografie konzentrieren kann.
Wir marschieren an den Rand und jetzt zieht die ganze Schule singend an uns vorbei. Kurz schaue ich in die Leute und entdecke einen Freund aus San Ignacio der mich anlächelt. Dann setzen wir uns wieder in Bewegung und ziehen hinter allen anderen vom Platz. Die Trommel gibt das Stopp-Signal und wir dürfen abtreten.
| Unsere Formation, während alle vorbeimarschierten |
Alle freuen sich. Der Direktor kommt zu uns und ist begeistert wie gut die Performance bei den Leuten angekommen ist und wie sehr wir uns von allen anderen Schulen abgehoben haben. Es wird ein Gruppenfoto mit allen gemacht. Das bekommt einen besonderen Platz bei mir zuhause. Danke an Robin fürs Fotografieren während des Marsches!
| Das Gruppenfoto |
Vom Lernen zum Lehren
Wie geht es jetzt also weiter? Beim zweiten Marsch in diesem Jahr wird die Abschlussklasse nicht mehr spielen. Dafür werden die ersten Klassen eingeschult. Jetzt heißt es also die Abläufe und das Wissen weiterzugeben. Damit auch der nächste Marsch wieder ein voller Erfolg wird.
| Gruppenfoto der Bläser |
Das ein oder andere Special haben wir uns schon überlegt. Eines kann ich auch schon verraten. Es wird ein Marschglockenspiel geben. Ja, genau so habe ich auch geschaut, als ich das zum ersten Mal hörte. Weil ich selbst schon Glockenspiel gespielt habe bei meiner Kapelle in Österreich, darf ich hier der Lehrer für das Instrument sein.
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| Unterricht für Marschglockenspiel |
Weiters nehme ich jetzt Unterricht beim Vater unseres Musiklehrers. Es wird gesagt, er sei der beste Musikant der ganzen Stadt. Damit ich auch meine Fähigkeiten verbessern kann. Und wer weiß, vielleicht sind Flo und Vali von meiner Musikkapelle in Österreich ja bereit, mich in ihr Register aufzunehmen. Bis dahin fehlt aber noch einiges an Übung.





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